Fachartikel: Vorteile passiver, aktiver und hybrider Kühlsysteme
Industrie-PCs sind in vielen Einsatzszenarien extremen Anforderungen ausgesetzt: Staub, Hitze oder der Wunsch nach einem möglichst lautlosen Betrieb machen die Kühlung der Komponenten und des Gesamtsystems zu einer Herausforderung. Die Anforderungen an Rechenleistung und die Summe der Umgebungsbedingungen geben vor, welche Kühllösung für ein industrielles Computersystem in Frage kommen kann. Hier können hybride Ansätze helfen, die aktive und passive Kühlung miteinander verbinden.
Niemand würde auf die Idee kommen, einen Server einfach mitten in die Wüste zu stellen. Zu heiß, zu staubig, zu trocken. Industrie-PCs (IPCs) jedoch müssen unter genau solch extremen Umgebungsbedingungen zuverlässig zurechtkommen. Car-PCs, etwa für die Entwicklung von Assistenzsystemen in Fahrzeugen, müssen bei -30° C im Winter ebenso ausfallsicher sein wie bei 50° C im Hochsommer. Steuerungs-PCs in der Industrie dürfen bei Staub, Abwärme der Maschinen oder schweren Erschütterungen nicht den Dienst verweigern, um teure Ausfallzeiten zu vermeiden. Geräte in der Medizintechnik hingegen müssen oft extrem performant sein, zum Beispiel für bildgebende Verfahren. Gleichzeitig sollen sie flüsterleise arbeiten. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Und fast täglich kommen durch das Internet of Things (IoT) und Industrie 4.0 neue Anwendungsfälle hinzu.
In vielen Fällen stellt die Kühlung der Geräte eine große Herausforderung dar. Denn keine der verfügbaren Technologien ist alleine für sich in der Lage, alle Einsatzbereiche abzudecken. Der am weitesten verbreitete Ansatz ist die aktive Kühlung mit Lüftern. Um die eingesetzten leistungsstarken Prozessoren und Grafikkarten zu kühlen, müssen erhebliche Luftmassen bewegt werden: Bei einer internen thermischen Dissipation von 500 Watt und einem maximal tolerierbaren Temperaturanstieg von 5° C sind als grober Richtwert fünf Kubikmeter Luft pro Minute notwendig, die durch das Gehäuseinnere geblasen werden.
Staub und Verschleiß
Verwirbelungen im Gehäuse, die den Luftstrom ungleichmäßig verteilen, können diesen Wert noch deutlich nach oben treiben. Dabei gilt nicht immer das Prinzip „viel hilft viel“. Denn die Wirkung der Lüfter steigt nicht linear zu deren Anzahl, das Gehäuse bietet zahlreiche Widerstände. Es steigt zunächst einmal der Geräuschpegel, auch muss in der Umgebung ausreichend kühle Luft vorhanden sein. Das ist nicht in jedem Szenario gegeben. Ein weiterer Nachteil der aktiven Kühlung ist zudem, dass durch den Luftstrom auch Staub aus der Umgebung angezogen wird, der über Filter aus dem Gehäuse ferngehalten werden muss. In vielen Industrieanwendungen sorgt die daraus resultierende Prüfung und Wartung der Systeme für erheblichen Aufwand. Obendrein sind Lüfter als bewegliche Teile einem normalen Verschleiß unterworfen und sollten regelmäßig ausgetauscht werden. Hinzu kommt, dass die Kühlleistung bei aktiv gekühlten Systemen mit zunehmender Höhenlage abnimmt– in höher gelegenen Einsatzgebieten ist aufgrund der dünneren Luft mit geringerem Wärmeleitkoeffizienten für die Erbringung der gleichen Kühlleistung ein höherer Luftdurchsatz notwendig.
Auf der anderen Seite steht die passive Kühlung. Hierbei wird die von den Komponenten erzeugte Wärme über leitfähige Materialien an die Umgebung abgegeben. Aufgrund des niedrigen Wärmewiderstandskoeffizienten wird hier meist Kupfer oder Aluminium verwendet. Bei Embedded PCs aus der Concepion®-Serie von InoNet kann so beispielsweise die entstehende Wärme im Gehäuse über Heatpipes aus Kupfer an einen passiven Kühlkörper abgegeben werden, der in der Regel den Deckel des Gehäuses darstellt. Der begrenzende Faktor dabei ist die Kühlleistung. Für viele Anwendungen wie Maschinensteuerungen oder IoT-Devices in der Produktion ist dieses Verfahren sehr gut geeignet. Mit steigendem Performance-Bedarf der Anwendung wird die passive Kühlung extrem komplex, ebenso in Umgebungen mit sehr hohen Temperaturen wie in der Stahlindustrie. Grundsätzlich gilt: je leistungsfähiger der Prozessor eines Systems, desto höher die Dissipation – die entstehende Abwärme kann ab einem bestimmten Punkt durch eine passive Kühlung nicht mehr ausreichend abgeführt werden – eine aktive Belüftung wird benötigt. Auf der Haben-Seite dagegen stehen der leise Betrieb, die Möglichkeit zur staub- oder wasserdichten Kapselung sowie das Fehlen beweglicher Bauteile. In der Praxis haben beide Ansätze ihre Berechtigung. Oft genug findet man auch Mischformen, bei denen die Wärme über Heat Sinks und Heat Pipes am Bauteil abgenommen und dann über herkömmliche Lüftersysteme aus dem Gehäuse entfernt wird. Hierbei können die Lüfter deutlich kleiner dimensioniert werden, was kompaktere Formfaktoren und geringe Geräuschentwicklung zur Folge hat.
Das Beste aus beiden Welten
In Applikationen mit besonders hohem Anspruch an Kühlleistung oder außergewöhnlichen Umgebungsbedingungen kann der Einsatz einer hybriden Kühllösung den Schlüssel zum Erfolg darstellen. Bei hybriden Kühlungen wird die aktive Kühlung durch Lüfter mit der passiven Ableitung von Wärme an kritischen Komponenten in einem Chassis vereint. Solche Systeme können dadurch eine höhere gesamte Kühlleistung erzielen, bei gleicher Kühlleistung deutlich leiser betrieben werden oder effektiver vor dem Eindringen von Staub und Schmutz geschützt werden.
Ein interessanter und effektiver Hybrid-Ansatz zur Kühlung hochperformanter IPCs kommt dabei von dem Taufkirchener IPC-Hersteller InoNet. Dort wurde ein System entwickelt, bei dem die Wärme der leistungsstarken Komponenten wie CPU oder Grafikkarte über Heat Pipes an einen zentralen Tunnel weitergegeben wird. Dieser Tunnel führt durch das System und wird mit zwei Lüftern aktiv gekühlt. Der so genannte Thermal Tunnel ist vom Gehäuse isoliert, es kann kein Staub eindringen. Zudem befinden sich keine Komponenten innerhalb des Tunnels, weswegen es kaum zu Verwirbelungen kommt. „Die Wärme verteilt sich beim Thermal Tunnel nicht wie sonst im Gehäuse, dadurch ist die Kühlung sehr effizient“, erläutert Dominik Schölzel, System Engineer in der Entwicklung bei InoNet. „Der Thermal Tunnel ist dadurch besonders für Systeme mit sehr hohen Performance-Anforderungen geeignet. Ein typischer Anwendungsfall ist die Verarbeitung von Videodaten in Echtzeit beim autonomen Fahren.“ Die Herausforderung beim dieser Kühllösung: Jedes Bauteil benötigt eine andere Anbindungen an den Tunnel. Bei Prozessoren ist die Varianz noch recht gering, die Bauhöhen innerhalb einer Serie sind in der Regel konstant. Anders bei Grafikkarten, die Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen sind erheblich. „Einfach eine defekte Grafikkarte gegen ein anderes Modell austauschen, ist beim Thermal Tunnel nicht möglich. Wir arbeiten deshalb hier mit Bauteilen, bei denen der Hersteller die Langzeitverfügbarkeit garantiert“, so Schölzel. Aktuell werde das System auf die neuesten Prozessorgenerationen angepasst.
Keine eierlegende Wollmilchsau
Schon kleine Abweichungen der Betriebstemperatur von den Spezifikationen der Komponentenhersteller können die Lebensdauer der Bauteile signifikant verkürzen. Es drohen nicht nur erhebliche Wartungs- und Reparaturaufwände, sondern im schlimmsten Fall Stillstände im Unternehmen. Denn IPCs sind in den meisten Prozessen kritisch, sie müssen absolut zuverlässig funktionieren. Bei der Kühlung von IPCs gibt es keine einfache, immer passende Lösung. Unterschiedliche Umgebungen und vielfältige Einsatzszenarien erfordern speziell angepasste Lösungen, um die entstehende Abwärme sicher abzuführen. Mit der digitalen Transformation und Industrie 4.0 steigen die Datenmengen, die verarbeitet werden müssen – und damit auch der Performance-Bedarf der IPCs. Hybride Ansätze schließen hierbei die Lücke zwischen aktiven Kühllösungen für hohe Leistungsanforderungen und wartungsarmen passiven Kühlsystemen.